Lesepredigt für das Amt für Gemeindedienst Nürnberg zum 3. Advent am 16.12.2018

Predigttext: Römer 15, 4-13


Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Familie. Harmonie und Eintracht werden in diesen Tagen groß geschrieben und der Wunsch nach einem friedlichen Fest fehlt nur bei wenigen Weihnachtsgrüßen. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Einigkeit ist tief im Menschen verwurzelt. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, diese alte biblische Weisheit aus der Schöpfungsgeschichte gilt nicht nur für Mann und Frau, sondern auch für die Familie, die Verwandtschaft und die Freunde. So findet sich der Appell an Gemeinsamkeit und Einigkeit öfter in der Bibel, am deutlichsten beim Gebet Jesu, das Johannes im 17. Kapitel des Evangeliums überliefert: „Dass alle eins seien“ wünscht Jesus.

Einigkeit an Weihnachten kann auch misslingen. Die Beratungsstellen der Diakonie für Ehe- und Familienfragen und auch die Scheidungsanwälte haben nach den Feiertagen genug zu tun. Auch die Bibel liefert Beispiele, dass Einigkeit in der Familie nicht funktioniert: Kain ermordet seinen Bruder Abel, Abraham und Lot trennen sich, Jakob betrügt seinen Vater und seinen Bruder (die Mutter hilft ihm dabei) und Josef wird von seinen Brüdern als Sklave verkauft. Das sind nur Beispiele aus dem 1. Buch Mose!

Auch zu unseren Erfahrungen gehört das Misslingen: Ehen zerbrechen, Kinder zerstreiten sich, Freundschaften gehen auseinander. Geschichtlich gesehen ist es ein Wimpernschlag, dass man in unserem Land vom „Erzfeind“ Frankreich sprach, dabei sind das doch auch Christen! So zeigen auch die Kirchen immer wieder Uneinigkeit, etwa beim Schisma der Ostkirchen 1054. Die Reformation lässt sich auch als eine Abspaltung beschreiben und danach ging es mit verschiedenen Kirchenspaltungen ja weiter. Weltweit gibt es dann nicht nur den Lutherischen Weltbund (in dem unsere Kirche Mitglied ist), sondern auch noch den Internationalen Lutherischen Rat und die Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz.

Das im Blick wird einem Paulus lieb: „dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander“! Dabei hatte er es „nur“ mit der Spannung zwischen Judenchristen und Heidenchristen in der römischen Gemeinde zu tun. Von Paulus lässt sich aber auch lernen, wie mit den Unterschieden umgegangen werden kann.

Paulus stützt sich als erstes ausführlich auf die heiligen Schriften. In der Übersetzung der „Guten Nachricht“ wird das deutlicher, da liest sich der Anfang unseres Predigttextes so: „Was in den Heiligen Schriften steht, wurde im Vor­aus aufgeschrieben, damit wir den Nutzen davon haben.“ Die Heiligen Schriften, von denen Paulus schreibt, sind die heiligen Schriften der Juden, unser heutiges Altes Testament. Das hat er vollständig im Blick, er betrachtet sowohl die Geschichtsbücher als auch die Psalmen und die Propheten. Ohne diesen Teil unserer Bibel ist unser theologisches Denken als Christen nur die Hälfte wert. Eine Situation, die wir uns immer wieder in Erinnerung rufen müssen, gerade in Zeiten in denen der Antisemitismus wieder wächst.

Wenn die Judenchristen in Rom das Wort „Verheißungen“ gelesen haben, haben sie sofort gewusst, worauf Paulus anspielt: an Abraham und David. Abraham, der den Auftrag bekam, sein Land zu verlassen und sich ganz Gottes Führung anzuvertrauen. Er bekam die Zusage, dass er ein Vater vieler Völker wird. David hatte die Verheißung, dass aus seiner Familie ein Königtum auf ewig entstehen werde. Das greift auch Jesaja auf: der Reis aus dem Zweig Isais, also ein Sohn Isais ist verheißen. Er hat es bis in unser Gesangbuch geschafft hat. Im Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ heißt es: „von Jesse kam die Art“, das ist die alte Schreibweise für Isai. Das war dann König David. Beide, Isai und David, werden im Stammbaum Jesu in den Evangelien erwähnt. „Herrlich“ wird er beschrieben, „Geist des Herrn“, wird er genannt. Weisheit, Verstand und Gerechtigkeit werden ihm zugeschrieben und weder Bosheit noch Schaden wird es zu seiner Zeit geben. Und die Krönung: Er wird dastehen als Zeichen für die Völker, „nach ihm wer­den die Völker fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein. (Jesaja 11,10 nach Luther 2017).

Mit solchen Bildern im Kopf wird verständlich, wenn es im Psalm 117 heißt: „Lobet den HERRN, alle Heiden! Preiset ihn, alle Völker! Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Halleluja!“ „Preiset ihn, alle Völker!“ „da­mit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.“ Die Melodie des Psalmes und die des Paulus gehen nahtlos ineinander über.

Und wie leben wir dann mit den Trennungen in Kirchen, Konfessionen, Vereine, Kreise und Grüppchen? Auch wenn es das alles schon zu Zeiten des Paulus gab, bleibt es ein Thema. „Ich gehöre zu Paulus“, „ich gehöre zu Kephas“, „ich gehöre zu Apollo“ so klang es in Korinth, wo Paulus den Römerbrief wahrscheinlich geschrieben hat, und dem hat Paulus auch da widersprochen. Neben dem Befragen der Heiligen Schriften empfiehlt er weiter: Geduld, Hoffnung und Rücksicht. Kurz vor unserem Predigttext schreibt er: „Wir aber, die wir stark sind, sollen die Schwächen derer tragen, die nicht stark sind, und nicht Gefallen an uns selber haben. Ein jeder von uns lebe so, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten und zur Erbauung.“ Und an die Philipper schreibt er: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vor­ne ist,“ warum? „weil ich von Christus Jesus ergriffen bin“.

Vergessen was hinten ist und nach vorne schauen. Wir sollten auf die Beispiele schauen, die uns nach vorne bringen:

Mit der Leuenberger Konkordie im Jahre 1973 haben sich nach langem Getrenntsein lutherische, unierte und reformierte Kirchen gegenseitig die Ämter anerkannt und zu Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft eingeladen.

Im letzten Herbst (2017) gab es in Deutschland ein ökumenisches Erlebnis der besonderen Art: Bischof Bedford-Strohm hat mit den Patriarchen aus Damaskus, Armenien und Indien einen Fürbittgottesdienst für die Christen im Nahen Osten gefeiert. Der koptische Papst aus Ägypten wollte auch kommen, wurde aber kurzfristig krank. Mitgefeiert haben Gerhard Feige, der römisch-katholische Bischof von Magdeburg, der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz ist und auch Vertreter der griechischen und russischen Orthodoxie. Mehr Ökumene war selten! Schade, dass dieses Ereignis 10 Tage vor dem großen Reformationsjubiläum in der deutschen Öffentlichkeit nicht beachtet wurde.

Auch erleben wir eine intensive Begegnung von Bischof Bedford-Strohm mit Kardinal Marx, die beide gemeinsam den Ökumenepreis der Katholischen Akademie Bayern 2017 bekommen haben. Das lässt für die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche hoffen, auch über das persönliche Verstehen zweier Menschen hinaus.

Den Eheleuten, die jetzt Goldene Hochzeit feiern, wurde zur Zeit ihrer Trauung noch von unserer Kirche abgeraten, eine konfessionsverschiedene Ehe einzugehen. Mittlerweile sind ökumenische Trauungen Alltag in beiden Kirchen.

Es gibt also ermutigende Zeichen, wir sollten Geduld und Hoffnung nicht aufgeben, aber auch hartnäckig dran bleiben. Die neu ins Amt gekommenen Kirchenvorstände haben da eine dauernde Aufgabe.

Diesen Weg, den Paulus aufzeigt, müssen wir weitergehen, denn wir sind in Erwartung. Wir erwarten nicht die Geburt eines Kindes im Stall, das ist Geschichte, an die wir uns erinnern. Abraham als Vater vieler Völker, David als Anfang eines ewigen Königtums, die Vision von der Wurzel aus Isai voller Gerechtigkeit: das ist erfüllt in Jesus aus Nazareth, geboren in Bethlehem.

Aber das entscheidende ist noch nicht passiert: Wir erwarten, dass er wiederkommen wird. Dann feiern wir Advent für ewig. Das ist der tiefste Sinn der Adventsfeiern, das Ziel aller Weihnachtsfreude und das ultimative Weihnachtsgeschenk, das Gott uns macht.

Amen