Lesepredigt für das Amt für Gemeindedienst Nürnberg zum Heilig Abend, 24.12.2016

Predigttext: 2. Samuel 7, (1-3), 4-6, (11b), 12-13

(wird während der Predigt verlesen)


Die Hirten haben den Stall wieder verlassen, sind zurückgekehrt an die Hürden und ihre Herden, um für den Rest der Nacht wieder ihre Pflicht zu tun. Genauso sind heute nacht Menschen nicht bei ihren Familien oder hier in der Kirche, weil sie ihre Pflicht tun: bei der Polizei, in den Krankenhäusern oder bei den Stadtwerken, damit wir hier Strom haben für Licht und Lautsprecher und zuhause fließend Wasser. Andere tun ihre Pflicht – ganz wichtig für viele Menschen in dieser Nacht – bei den Fernsehsendern.

Auch wir verlassen den Stall und Bethlehem und wandern nordwärts. Sieben, acht Kilometer weiter finden wir uns wieder am Stadttor von Jerusalem, 30, 33 Jahre später. Viele Leute sind unterwegs, das Passah-Fest steht vor der Tür und sie drängeln in die Stadt. Über die Köpfe der Menschen hinweg erkennen wir, dass da einer reitet. Er ist nicht so hoch droben wie die römischen Soldaten auf ihren Pferden, er hat ein kleineres Tier, vermutlich einen Esel. Dann wird es immer deutlicher, die Menge ruft „Hosianna dem Sohne Davids“. Warum rufen die das? Wie kommt das Kind aus der Krippe zu diesem Titel? Die Antwort darauf finden wir in unserem Predigttext, einem Abschnitt aus dem 7. Kapitel des 2. Samuelbuches:

Als nun der König David in seinem Hause saß und der HERR ihm Ruhe gegeben hatte vor allen seinen Feinden umher, sprach er zu dem Propheten Nathan: Sieh doch, ich wohne in einem Zedernhause, und die Lade Gottes wohnt unter Zeltdecken. Nathan sprach zu dem König: Wohlan, alles, was in deinem Herzen ist, das tu, denn der HERR ist mit dir.
In der Nacht aber kam das Wort des HERRN zu Nathan: Geh hin und sage zu meinem Knecht David: So spricht der HERR: Solltest du mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne? Habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tag, da ich die Israeliten aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, sondern ich bin umhergezogen in einem Zelt als Wohnung.
Der HERR verkündigt dir, dass der HERR dir ein Haus bauen will.
Wenn nun deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern schlafen legst, will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein Königtum bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen Königsthron bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein und er soll mein Sohn sein.

Zwei Männer begegnen uns da, der eine ist in diesem Moment völlig neu: Nathan. Der andere ist gut bekannt, es gibt viele Geschichten von ihm. Noch 3000 Jahre später erzählen sich die Menschen in bestimmten Situationen: „Das war mal wieder eine Geschichte David gegen Goliath“ und wissen, was damit gemeint ist. Er war König von Juda und der Nordstämme geworden. Zwischen den beiden Reichen hat er sich eine eigene Stadt erobert: Jerusalem. Diese soll nun das neue Machtzentrum seines Reiches werden. Er baut sich einen Palast und holt die Bundeslade in die Stadt. Diese beinhaltet die Gebotstafeln vom Sinai, mit ihr ist das Volk Israel durch die Wüste gezogen. Sie soll nun auch schön untergebracht werden. Das spricht doch für ihn, dass er hier nicht nur an sich selber denkt. Und zunächst sagt der Prophet ja auch zu, aber dann verwehrt er es ihm im Namen Gottes.

Warum soll uns das am Heiligen Abend interessieren?
Die Evangelisten Matthäus und Lukas überliefern bei ihren Geburts- und Kindheitsgeschichten jeder auch einen Stammbaum Jesu. Sie sind sich dabei nicht immer einig, aber in einem stimmen sie überein: zu den menschlichen Vorfahren Jesu gehören David und sein Vater Isai. In einer anderen Übersetzungstradition sprach man früher den Namen des Vaters „Jesse“ aus, wir kennen das aus dem Lied „Es ist ein Ros entsprungen“. Als die ersten Christen nach einer Erklärung suchten, für das, was ihnen da mit Gott widerfahren war, haben sie die Heilige Schrift gelesen und sind dabei auf diese Geschichte gestoßen. Sie hat ihnen einiges erklärt. Im Blick der Christen auf die jüdische Geschichte von David spiegelt sich der Blick wieder, den die Christen auf ihren Herrn und Heiland werfen – und dessen Geburt wir heute feiern.

David symbolisiert einen Neuanfang: Nach Saul wird nicht sein Sohn Jonatan König, sondern der Prophet Samuel wird beauftragt: geh hinaus nach Bethlehem, in die Familie des Isai und dort wirst Du ein Zeichen bekommen, welchen der Söhne Du salben sollst. Isai präsentiert ihm seine 7 Söhne, aber jedesmal schüttelt der Prophet den Kopf. Dann fällt Isai ein: ich habe ja noch einen achten Sohn, der ist draußen auf den Feldern. Er wird geholt, er ist es, er wird der König David. Das Volk Israel hatte mit seinen Königen insgesamt nicht viel Glück. Da waren etliche dabei, die von Gott nichts wissen wollten, am Ende stand das Exil in Babylon. Aber im Volk Israel war immer das Wissen da: Gott wird einen Neuanfang machen und der kommt aus dem Hause Isais. Der Prophet Jesaja hat das so formuliert: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Und es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Heiden fragen.“ (Jes. 11) Ein ganz wichtiger Satz für alle Christen, die keine jüdischen Eltern haben!

David ist gehorsam. Er hört auf den Propheten. Erst sein Sohn Salomo wird einen Tempel bauen.

David steht für Größe, Erfolg und äußere Macht. Liest man die Geschichten von seinem Aufstieg, dann staunt man: ihm gelingt einfach alles. Das Reich Davids war in der Überlieferung Glanz- und Höhepunkt der jüdischen Geschichte, zusammen mit der Zeit von Salomo. Wäre ich am Stadttor von Jerusalem ein römischer Wachoffizier gewesen, ich wäre auch nervös geworden, wenn ich hörte, wie die Leute rufen „Hosianna, dem Sohne Davids.“

David bekommt einen Nachfahren, der baut, aber viel wichtiger: Gott baut. Gott baut das Haus Davids, das Königtum für ewig. Mit der Geburt Jesu in Bethlehem, der Geburtsstadt Davids, macht Gott wieder einen neuen Anfang.

Das geschieht einerseits in vertrauten Bahnen:
Der Stammbaum der Evangelisten zeigt Jesu als Teil seines Volkes, Sohn Davids und damit der Verheißung des Nathan. Jesus wird in der Tradition seines Volkes aufwachsen: er wird beschnitten, er wird im Tempel dargebracht und als erwachsener Mann geht er am Sabbat in die Synagoge „nach der Gewohnheit“. Er wird sagen, dass er gekommen ist, das Gesetz des Mose, das auf den Tafeln in der Bundeslade steht, zu erfüllen und nicht aufzulösen. (Mt. 5,17 par.)

Und doch geht Gott mit Jesus neue Wege:
Das Kind kommt nicht in einem Königspalast zur Welt sondern in einem Stall. Nicht die Mächtigen dieser Welt stehen an seiner Krippe, sondern Hirten, Tagelöhner, Prekariat. Nicht der eigene König Herodes huldigt ihm, sondern Ausländer. Wir sehen ins Morgenland, woher sie kamen und trauern über den Tod der Christen, die dort bis vor kurzer Zeit gelebt haben. Auch damals war nicht Friede, Freude und stade Zeit, sondern Lebensgefahr und Flucht bis nach Ägypten.

Neue Wege wird auch das Kind selbst gehen:
Er wird das Gesetz zurecht rücken und ihm den zentralen Sinn geben: Gott lieben und den Nächsten lieben.
Er wird sagen: „mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh. 18) und damit sich vom kriegerischen Weg Davids abwenden.
Er wird nicht nur die Lähmungen der Menschen sehen, sondern auch ihre Gottesferne und wird ihnen Gottes Nähe zusagen: die Bibel nennt das „Sünden vergeben“ (Mk. 2).
Er wird den Kindern, die nichts gelten, nahe sein und seine Jünger deshalb zurechtweisen.
Er wird bei Ausgestoßenen, Zöllnern und Prostituierten, essen, weil genau die Gottes Nähe brauchen.
Er weiß sich zu den Juden geschickt und geht doch auch den Weg zu den Nichtjuden. Deshalb können auch wir auf seinen Spuren gehen: „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“ hat Klaus Peter Hertzsch gedichtet, der vor einem Jahr (25.11.2015) verstorben ist.
Vor allem aber: mit ihm, mit dem Kind aus der Krippe geht Gott den ganz neuen Weg: übers Kreuz in den Ostermorgen, „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor. 1). So sind die Kerzen am Christbaum nicht nur ein Licht gegen die Finsternis des Winters, sie sind auch ein erster schwacher Abglanz des Lichtes, das uns am Ende unserer Wege erwartet. Die Nachbarn der ersten Christen hatten ein gutes Gespür: da fingen ein paar Leute plötzlich an, von Jesus aus Nazareth zu reden. Sie erzählten, was er gepredigt hat, dass er Wunder getan hat und schließlich auferstanden ist. Die Nachbarn versuchten, sich darauf einen Reim zu machen und nannten diese Leute: „Anhänger des neuen Weges“, bevor der Name „Christen“ sich einbürgerte. Sie hatten etwas ganz wichtiges formuliert, vielleicht, ohne es zu begreifen.

„O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat“ singen wir jedes Jahr im Advent. Georg Weissel hat dieses Lied 1642 veröffentlicht und dabei die Ankunft des Kindes und den Königstitel miteinander verbunden. Als die Menschen in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges dies gesungen haben, mögen sie an manch anderen König und seinen Feldherrn gedacht haben, die eingezogen sind. Vielleicht hat Georg Weissel deshalb im nächsten Vers den Schwerpunkt ganz anders gesetzt: „wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein“. Diesem König geht es nicht um Macht und Plünderung. Dieser König zielt auf unser Herz. Heute ist unser Herz bewegt im Anblick eines neugeborenen Menschen, wir feiern seine Geburt. Es sind ja wohl die schönsten Weihnachtsfeste im Leben, wenn wir in Erwartung eines Babys feiern oder ein neugeborenes Kind in der Familie haben. Aus diesem Gefühl heraus entsteht auch der Wunsch, andere Menschen zu beschenken. Wer aus dieser Herzensfreude heraus schenkt und Weihnachten feiert, wird auch keinen Stress haben. Im Gegenteil: er wird etwas von der Freude über die Geburt in Bethlehem in unsere Tage bringen und er wird etwas zurück bekommen: Nämlich den Frieden Gottes, der größer ist als unsere Vernunft und der unsere Herzen und Sinne bewahren will im Geist des Davidsohnes, unseres Herren und Heilands aus der Krippe.

In diesem Sinne: Gesegnete Weihnachten – so sei es, das heißt: Amen