Lesepredigt für das Amt für Gemeindedienst Nürnberg zum Ostermontag, 01.04.2013

Predigttext: Jesaja, 25, 8-9


„Und er [Jesus] fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen [den Jüngern] aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war“, so haben wir es eben im Evangelium gehört. Später dann, als Jesus den Jüngern in ihrem Versteck erscheint, „öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden“ (Lk 24,45). Schon beim ersten Gespräch, das uns aus der Zeit nach dem Ostermorgen überliefert ist, kommt der Hinweis auf das, was wir heute Altes Testament nennen und „die Schrift“ waren eben die Bücher der jüdischen Bibel, die der christlichen Bibel waren ja noch nicht geschrieben. Auch in der Apostelgeschichte wird immer wieder auf diesen Teil unserer Heiligen Schrift verwiesen, ob das Petrus in der Pfingstpredigt ist oder Stephanus vor dem Hohen Rat. Philippus und der Kämmerer kommen ins Gespräch miteinander über einer Stelle aus eben unserem Propheten Jesaja. Ganz besonders an Ostern wird uns deutlich, wie sehr unser Glaube in der Überlieferung des jüdischen Glaubens wurzelt und dieser Text ist besonders geeignet, uns das zu verdeutlichen. Er redet von einem besonders aktiven Gott: Gott kündigt an, Gott verschlingt den Tod, Gott wischt Tränen ab, Gott hebt die Schmach des Volkes auf. Aus dem Zusammenhang unseres arg kurz geschnittenen Predigttextes lässt sich ergänzen, dass Gott Trauerschleier und Leichentuch von allen Völkern und auch den Heiden wegnehmen wird, dass Sonne und Mond als falsche Götter entlarvt werden und sich darüber schämen und dass ein Gericht über die Mächtigen der Erde hereinbrechen wird. Allen Völkern wird Gott schließlich ein fettes Mahl machen. Die Mitte dieses Geschehens ist der Berg Zion, also Jerusalem.

Dieser Gott macht Hoffnung, diese Prophetenrede macht auch uns Hoffnung, wenn wir die Bilder aus der Gegenwart der Prophetenzeit in unser Leben eindringen lassen. Ein fettes Mahl mag heutzutage nichts besonderes mehr sein, hat uns vielleicht auch an den Feiertagen geschmeckt. Eher umgekehrt sind übergewichtige Schulkinder und zu kalorienreiche Ernährung bei sitzender Tätigkeit ein weit verbreitetes Problem und morgen früh stehen wir auf der Waage und schauen nach, ob wir über die Feiertage zugenommen haben. Aber für Menschen in biblischen Zeiten war der Hunger eine ständige Gefahr im Leben. Sie wussten nie, ob die Vorräte bis zur nächsten Ernte reichen oder vorher verderben, sie sorgten sich immer, ob die Ernte groß genug sein wird, auch Saatgut zurückzulegen fürs kommende Jahr. Oft schauten die Kinder zu, wie die Eltern die Vorräte abschätzen und hörten die Geschichten der Alten, die erzählen, wie sie gehungert und gebettelt haben. Für diese Menschen geht es bei einem fetten Mahl nicht um das Ränzlein nach den üppigen Feiertagen, sondern um Leben, Sicherheit und Auskommen und das ist eine herrliche Verheißung!

Gott wird die Tränen abwischen von allen Angesichtern. Da sind wir mit unseren Erfahrungen ganz nah bei den Zeitgenossen des Propheten. Tränen mögen wegen Trauer fließen, weil ein geliebter Mensch gestorben ist. Sie mögen fließen, weil das eigene Versagen bewusst wird und die eigenen Fehler nicht mehr rückgängig gemacht werden können, so wie Petrus weinte im Hof des Hohen Priesters. Tränen mag es geben über einer Entwicklung im Leben, die man sich so ganz anders vorgestellt hatte, so wie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus traurig waren. Wenn Gott abwischen wird alle diese Tränen, dann heißt das Bild, dass auch der Grund fürs Weinen wegfallen wird. So hat es Johannes der Seher auch geschaut: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ So nimmt das Buch der Offenbarung (21,4) unsere Predigtstelle auf.

Auch inmitten des Frühlings, der wieder erwachenden Natur, der länger werdenden milden Abende jetzt in der Sommerzeit gibt es das: Tränen über über den Tod zur Unzeit, über die jungen Menschen, die beim Ausflug mit dem Motorrad umkommen, Tränen über die Großmutter, die der Krebs die Konfirmation des Enkels nicht mehr hat erleben lassen, Tränen über eine abgesagte Lehrstelle oder eine nicht bestandene Prüfung. Es gehört zur Lebenserfahrung, dass solche Schicksale sich auch in der Gemeinde finden, dass auch ehrenamtliche Mitarbeiter aus der Jugendarbeit mit dem Motorrad verunglücken, dass Menschen vor der Zeit sterben, die viel Gutes getan haben und noch lange gebraucht worden wären. Es trifft nicht nur „die anderen“und das verunsichert.

Diese Zeiten der Verunsicherung hat auch das Volk Israel erlebt. Aber immer ist daneben auch zu spüren, dass sie gegen den Augenschein still hoffen. Sie hofften fast schon trotzig auf ihren Gott, dass er ihnen helfe. Es geht dabei nicht nur um die Probleme und Fragen einzelner, um individuellen Hunger und Leid. Es geht beim Propheten auch um gesellschaftliches Leben, in der Sprache des Propheten um die Schmach des Volkes. Die Schmach des Volkes lässt sich aus der Geschichte herauslesen, das waren in diesem Zusammenhang vor allem Fremdherrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung durch die Besatzer, dazu Verschleppung und Sklaverei einschließlich der Vergewaltigung der Frauen. Auch wenn man selber und die eigene Familie vielleicht Glück gehabt hatte, traf die Schmach des Volkes doch jeden einzelnen in seinen Gefühlen genauso.

Vor allem aber bedeutete die Herrschaft eines fremden Volkes über Israel im damaligen Denken immer auch den Sieg dieser fremden Götter und damit eine Schmach für Jahwe. Damit stellen sich fundamentale religiöse Fragen: Warum der Sieg der fremden Mächte, wo doch das Land von Gott gegeben war? Warum Leid und Tränen, wo doch verheißen ist, „er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen“ und eben nicht die Straße in die Gefangenschaft? Wenn wahr ist, sein „Stecken und Stab trösten mich“ warum dann Tränen und Leid und nicht „Gutes und Barmherzigkeit“ mein Leben lang (Ps 23)?

Wie eine große Überschrift steht da der Eingangssatz unseres Predigttextes: Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Welch ein Tonfall! Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Welch eine Gewalt! Das sprengt nicht nur die menschlichen Vorstellungen von Leben und Sterben, von gestern und heute, das reißt alle Grenzen weg: auf ewig! Die größte Grenze des Lebens, der Tod: Weg! Auf ewig! Nicht verschoben um ein paar Jahre oder Jahrzehnte wie beim Propheten Elia, der den toten Sohn der Witwe in Zarpat ins Leben zurückholte.

Damit bekommt unser Glaube eine neue Dimension: was der Prophet hier erkannt und verkündigt hat, war die Voraussetzung für die Botschaft am Ostermorgen: „Er ist nicht hier, er ist auferweckt worden“ hören die Frauen am Grab. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Das zeigt die Größe Gottes in neuer Weise: er hilft nicht nur zur Befreiung aus der Sklaverei wie in Ägypten und rettet nicht nur vor dem Verhungern mit dem Manna. Er gibt nicht nur Regeln für das gute Zusammenleben der Menschen mit den Gebotstafeln und schickt ihnen Boten, wenn sie in die Irre gehen, wie den Propheten Jesaja und seine Kollegen. Er ist auch größer als der Tod, die größte Grenze, die menschliche Sinne erkennen.

Die Frauen am Grab Jesu, die zwei Apostel auf dem Weg nach Emmaus, die Jünger und Jüngerinnen in ihrem Versteck nach dem Karfreitag haben dies alles gekannt, sie hatten es oft genug als fromme Juden in der Synagoge gehört. Und doch haben sie eine Weile gebraucht, bis sie den Zusammenhang gesehen und erkannt haben, erst einmal erschrecken sie, fürchten und verstecken sich. Was da geschieht, übersteigt menschliches Denken und Erfahrungen. Gott macht ernst mit seinem Versprechen: Er wird den Tod verschlingen auf ewig und angefangen hat er mit Jesus, dem Zimmermannssohn aus Nazareth.

„Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich“ so fasst Paulus im 1.Korintherbrief [in der Epistel] die zentrale Bedeutung dieses Geschehens zusammen. Wir sind im Zentrum unseres Glaubens, es geht um alles oder nichts. Nicht umsonst ist und bleibt Ostern der wichtigste Feiertag der Christen, auch der lutherischen. Obwohl man immer wieder die Behauptung hört, der höchste Feiertag der Evangelischen sei der Karfreitag: Wir sind nicht Christen, weil Jesus gekreuzigt wurde, wir sind Christen, weil er auferstanden ist!

Auferstanden als Erstling, wie Paulus formuliert. Die Auferstehung Jesu ist die Verheißung, dass die, die mit ihm Gott nachfolgen, auch auferstehen werden. Das hat zwei Richtungen:

Am Ende des Lebens, wenn man uns zu Grabe trägt wie diejenigen, die wir auf ihrem letzten Weg begleitet haben, steht nicht ein zugeschaufeltes Grab oder eine Urnennische, die der Bestatter verschließt. Am Ende steht die Glaubensgewissheit, dass Gott nicht nur die Tränen abwischen wird, sondern den Tod verschlingen auf ewig. Wie er das macht, bleibt sein Geheimnis. Wüssten wir Menschen es, Auferstehung wäre etwas menschliches. Aber er ist Gott und kein Mensch, deshalb werden wir es erst erkennen, wenn wir die menschliche Weise hinter uns gelassen haben. Aber: wir dürfen heute schon gespannt sein und uns darauf freuen.

Weil der Tod nicht das Ende des Lebens sein soll, weil Gott den Tod auf ewig verschlingen will, können wir in seinem Namen dem Tod überall entgegentreten. Das ist die zweite Richtung des Auferstehungsglaubens. Der Tod begegnet uns in verschiedenen Formen immer wieder im Leben. Es sind die kleinen Tode im Leben, die großen Enttäuschungen, an denen die Liebe stirbt, die Lügen, die Freundschaften zerbrechen lassen, die Grenzen, die wir in unserem Zusammenleben immer wieder erfahren. Es sind die Grenzen, die uns unsere Geschicklichkeit, unsere Körperkräfte und unsere Auffassungsgabe setzen. Auch dieser Tod soll verschlungen sein. Mit dieser Einsicht können wir uns dem Tod im Leben entgegenstellen, können versuchen, tote Beziehungen in Ehe und Familie wieder zum Leben zu erwecken, können Gesprächslosigkeit beenden und neues Vertrauen versuchen. Wir können mit dieser Hoffnung auch in unserem Zusammenleben den Elementen in den Weg treten, die Tod bringen: auf den Straßen, beim süchtigen Missbrauch von Giften, bei der Zerstörung der Umwelt. Wir können dazu beitragen, dass die Tränen abgewischt werden, die die Lieblosigkeit hervorgebracht hat. So wie der Auferstandene zu seinen Lebzeiten Grenzen zu den Aussätzigen und Unreinen überwunden hat, können wir zu unseren Lebzeiten auch Grenzen im menschlichen Miteinander überwinden. Die Welt wartet auf gute Beispiele, schlechte hat sie genug. Vertrauen wir darauf, dass Gott uns dabei hilft und uns dazu seinen Frieden gibt, der größer ist als unsere Vernunft und der unsere Herzen und Sinne bewahren möge in Jesus Christus, unserem auferstandenen Herrn.

Amen.

Predigtschlussgebet

Allmächtiger Gott, Du hast den Tod verschlungen auf ewig und damit dem Leben eine neue Richtung gegeben. Gib uns Deinen Geist, dieses Geschenk recht zu erfassen und Deine Kraft, dies in unserem Leben anzuwenden.