Lesepredigt für das Amt für Gemeindedienst Nürnberg zum 18. Sonntag nach Trinitatis am 11.10.2020

Predigttext: 5. Mose 30, 11-14

Mose übermittelt dem Volk Israel Gottes Willen: Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.


Liebe Gemeinde,

„Alles was Spass macht, verbietet den Jungen der Lehrer, den Alten der Arzt und allen miteinander der Pfarrer.“ Das Image kirchlicher Gebote und Vorstellungen von gutem Leben ist in großen Teilen der Bevölkerung verheerend, in anderen gar nicht mehr vorhanden, weil ihnen völlig egal ist, was Kirche sagt oder tut. Wenn die Entwicklung so weiter geht, wird der Anteil der Glieder christlicher Kirchen in unserem Land die 50 Prozentschwelle unterschreiten und dann werden diese Diskussionen noch mal schärfer werden. Wer sich zur Kirche Jesu Christi hält, muss dieser Entwicklung offen ins Auge sehen und sich fragen: Ist das Image zutreffend? Woran liegt es? Wie können wir eine Änderung erreichen?

Schon beim Hören der alttestamentlichen Lesung wird deutlich, wie Gebote gemeint sind: Gott verspricht, dass er Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die ihn lieben und seine Gebote halten. Der Predigttext kontretisiert: nicht zu hoch und nicht zu fern. „Ganz nah“ ist das Schlüsselwort, im Mund und im Herzen. In der Bildsprache des Alten Testaments ist das Herz der Ort des Verstands und der Mund das Bild für Wiederholen und Bedenken. Der Psalm 1 drückt das so aus: „Wohl dem, der … Lust (hat) am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, … der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, … und was er macht, das gerät wohl.“ Drei Bibelstellen, dreimal Lob aufs Gesetz und dreimal Verheißungen guten Lebens. Gott will dass es seinen Geschöpfen gut geht: keine Diebstähle, keine Morde, kein Streit mit Nachbarn, keine betrogenen Ehepartner und weinenden Kinder, keine shitstorms, fakenews und alternative Fakten. Kein Mobbing auf dem Schulhof. Keine Eltern, die ins billigste Pflegeheim nach Polen abgeschoben werden, damit ihr Haus fürs Erbe gerettet wird. Kein Hamsterrad mit Hetze ohne Ende, sondern jeden 7. Tag - himmlische Ruhe. Was ist daran schlecht?

Und das sind nur die zehn Gebote aus dem Alten Testament. Als Christen schauen wir auf Jesus und was er zu den Geboten gesagt hat: Im Evangelium zitiert er sie als Voraussetzung, das ewige Leben zu erlangen. Aber er sagt noch mehr: Das höchste ist das Doppelgebot der Liebe, Gott lieben und den Nächsten. Das eine Gebot halten, in dem man das andere lebt: Gott lieben im Nächsten und dazu hat Jesus mit den Heilungen, den Zeichen und Wundern und den Gleichnissen viele Beispiele gegeben. Gott im Nächsten lieben als das höchste Gebot und Auftrag an die Christen. “Christus hat keine anderen Hände als unsere” hat es die Theologin Dorothee Sölle formuliert. Gott will dass es seinen Geschöpfen gut geht. Ist das Image zutreffend? Klare Antwort: Nein.

Woran liegt es? Darauf gibt es keine einfachen Antworten und wäre die Predigt dreimal so lang, das Thema wäre immer noch nicht erschöpft. Ich konzentriere mich deshalb auf einen Aspekt, der in zwei Zitaten formuliert wird: Gustav Heinemann, Teilnehmer an der Bekenntnissynode in Barmen, nach dem Krieg lange Jahre Mitglied im Rat der EKD und schließlich von 1969 bis 1974 Bundespräsident, hat gesagt: “Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf sich selbst. “ Das zweite ist ein Gebet eines chinesischen Christen: “Herr, erwecke Deine Kirche und fange bei mir an. Herr, baue Deine Gemeinde und fange bei mir an. Herr, lass Frieden und Gotteserkenntnis überall auf Erden kommen und fange bei mir an. Herr, bringe Deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.”

Wir sind zur Selbstprüfung aufgerufen, zunächst ganz persönlich: Können wir den Psalm 1 mitbeten: “Wohl dem, der … sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht”? Es geht nicht um Quantität. Wer in einer Chemieklausur sitzt und über die alkoholische Gärung schreiben soll, tut gut daran, sich an die Formeln und Prozesse zu erinnern, die er hoffentlich gelernt hat und nicht über dem Wunder von Kana zu grübeln. Und wer im Straßenverkehr steckt, konzentriert sich besser auf das Geschehen um ihn herum und nicht auf die Frage, wie das genau gewesen ist, bei der Flucht aus Ägypten und dem Durchzug durchs Schilfmeer. Aber es geht sehr wohl um Qualität: wie wichtig ist uns die persönliche Beschäftigung mit Gottes Wort und Gebot? Das Losungsbüchlein, Bibellesepläne, Kalender wie “Der andere Advent” oder “7 Wochen ohne” in der Passionszeit sind dabei gute Angebote und Hilfestellungen.

Wir sind zur Selbstprüfung aufgerufen, beim Blick in die Programme unserer Gruppen und Kreise von der Jugendarbeit bis zu den Seniorentreffen: Wie oft stehen biblische Themen, Gottes Wort und Gebot auf dem Programm und wie oft beschäftigen wir uns mit anderen Dingen?

Wir sind zur Selbstprüfung aufgerufen, bei der Frage: was geben wir der nächsten Generation weiter? Schule ist natürlich Sache des Staates, der Konfirmandenunterricht aber liegt in der Verantwortung der Gemeinde und der wichtigste Teil der religiösen Erziehung geschieht in der Familie, in unseren eigenen Häusern. Wir sollten dabei darauf achten, dass wir Bibelstellen und Lieder der nächsten Generation weitergeben und diese auch auswendig gelernt werden. Niemand wünscht es Dir, aber das Leben bringt Situationen, in denen bist Du allein, hast kein Smartphone und kein Netz und wenn doch, ist der Akku leer. Und es geht Dir schlecht. Dann wünsche ich Dir, dass auf Deiner biologischen Festplatte gespeichert ist: “Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.” Und wenn Du vor einer Aufgabe stehst, bei der Du Angst hast, es zu schaffen, möge Dir einfallen: “Gott ist‘s der das Vermögen schafft, was Gutes zu vollbringen, er gibt uns Segen Mut und Kraft, und lässt das Werk gelingen.” Wenn wir Kindern solches Rüstzeug fürs Leben vorenthalten, tun wir ihnen schlechtes. Wenn dann die Küche gestürmt wird: “Jetzt muss ich auch noch den Psalm 23 lernen, bloß wegen der Konfirmation”, dann ist das eine gute Gelegenheit für Eltern, Großeltern und Paten zu sagen: “Setz Dich her, wir lernen gemeinsam und ich schau mal, was von meinem Konfirmandenunterricht hängen geblieben ist”.

Womit wir bei der dritten Frage angekommen sind: wie können wir eine Änderung erreichen? Die Antwort gibt der Predigttext: “es ist das Wort ganz nahe bei dir, … dass du es tust”. Im Jakobusbrief steht: “Seid aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer allein.” Jesus schreibt seinen Jüngern ins Stammbuch und Matthäus überliefert es: “Was Ihr getan habt einen der geringsten meiner Brüder, das habt Ihr mir getan”. Wir sind zu einem Christentum der Tat aufgerufen – jeden Tag. Man muß den Christen am Werktag abspüren, daß sie am Sonntag eine besondere Botschaft gehört haben. Das betrifft nicht nur organisierte Nächstenliebe in der Diakonie wie sie bei der Opferwoche wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit seit, da geht es um unser gesamtes gesellschaftliches Zusammenleben mit Hetze und Hass, auch die Rücksichtslosigkeit im Verkehr. Das betrifft ebenso den Umgang mit der Schöpfung, Umweltverschmutzung und Naturmissbrauch. Es gibt genug Aufgaben für Christen, die Gebote zu tun. Man muß den Christen am Werktag abspüren, daß sie am Sonntag eine besondere Botschaft gehört haben. Dann erfüllt sich auch die Verheißung, die auf den Geboten liegt. Die Welt wartet auf gute Beispiele, schlechte hat sie genug.

Amen

Der Friede Gottes, der größer ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Chrsistus, unserem Herrn und Heiland, der die Gebote für uns am Besten ausgelegt hat.