Rother Predigtreihe 2009 über Texte aus dem Evang. Gesangbuch: Worte zum Glauben und zum Leben

Seite 352, Johannes Kepler


Diese Predigt ist Teil der Predigtreihe 2009 der Evangelischen Kirchengemeinden Roth und Pfaffenhofen. Sie wurde am 02.08.2009 in Roth gehalten.

Text von Johannes Kepler

Dank sei dir, Schöpfer und Herr,
dass du die Freude mir gewährtest an deinen Werken!
Siehe, ich habe das Werk meines Lebens vollbracht
mit den Geisteskräften, die du mir geschenkt hast.
Ich habe der Menschheit die Herrlichkeit deiner Werke verkündet,
soweit als mein Verstand deren übermenschliche Majestät zu begreifen fähig war.
Lobe Gott, meine Seele, solange ich lebe!

Groß ist unser Herr und groß seine Macht und seiner Weisheit kein Ende!
Lobet ihn, Sonne, Mond und Planeten,
in welcher Sprache immer euer Loblied dem Schöpfer erklingen mag.
Lobet ihn, ihr himmlischen Harmonien,
und auch ihr, die Zeugen und Bestätiger seiner enthüllten Wahrheiten!
Und du, meine Seele, singe die Ehre des Herrn dein Leben lang!
Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge, die sichtbaren und die unsichtbaren.
Ihm allein sei Ehre und Ruhm vom Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Predigt

Liebe Gemeinde,
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. So beginnt unsere Bibel. Am ersten Tag werden Licht und Finsternis unterschieden, am zweiten wird der Himmel geschaffen, am dritten dann Erde und Meer und schließlich am vierten Tag die Lichter am Himmel, Sonne, Mond und Sterne. Was uns heute so vertraut ist, war für die Umwelt zu der Zeit, als der Text entstanden ist, eine handfeste Provokation. Man muss sich das einmal bildlich vorstellen: Da gibt es ein kleines Volk, das einen Krieg nach dem andern verliert, dessen Tempel zerstört wird, das ins Exil geführt wird, das Sklavenarbeit verrichten muss, und alle Welt um es herum weiß: Die Sonne ist ein Gott, der Mond ist ein Gott, die Sterne sind Götter. Und dieses kleine Volk kommt jetzt daher und sagt: Stimmt alles gar nicht. Sonne Mond und Sterne sind keine Götter. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Sonne, Mond und Sterne sind Geschöpfe unseres Gottes. Das muss man sich in dieser Lage erst mal trauen.

Im Blick auf die zweieinhalbtausend Jahre, die seitdem vergangen sind, muss man feststellen, dass diese Entgöttlichung des Firmaments einen menschlichen Blick nach oben überhaupt erst möglich gemacht hat. Jetzt war es möglich, in den Himmel zu schauen, ohne Angst haben zu müssen wie es der Prophet Jeremia ausgedrückt hat: Ihr sollt Euch nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels wie die Heiden sich fürchten. Auf der anderen Seite muss man sagen, offensichtlich hatte das Volk Israel genug irdische Probleme, so dass der Blick in den Himmel, die Astronomie ein relativ nachrangiges biblisches Thema ist. Im Sonntagsblatt von dieser Woche ist ein Artikel über Bibelstellen, die sich mit Sternenkunde befassen und da heißt es zusammenfassend “bestenfalls nutzlos, schlimmstenfalls Götzendienst”.

Was aber in der Bibel zu finden ist, sind Texte wie dieser:

Halleluja! Lobet im Himmel den HERRN, lobet ihn in der Höhe! …
Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!
Lobet ihn, ihr Himmel aller Himmel und ihr Wasser über dem Himmel!
Die sollen loben den Namen des HERRN; denn er gebot, da wurden sie geschaffen.
(Psalm 148)

Bei Johannes Kepler heißt das:

Lobet ihn, Sonne, Mond und Planeten,
in welcher Sprache immer euer Loblied dem Schöpfer erklingen mag.
Lobet ihn, ihr himmlischen Harmonien,
und auch ihr Zeuger und Bestätiger seiner enthüllten Wahrheiten!

Sonne Mond und Sterne beim Psalmisten, Sonne, Mond und Planeten bei Johannes Kepler sollen Gott loben. Johannes Kepler war nicht nur ein berühmter Wissenschaftler, sondern auch ein begabter Psalmendichter.

Warum ist das so? Weil er sich selbst als Geschöpf sieht und weil er sich selbst und seinen Verstand als Geschenk Gottes sieht. Das wird in dem zweiten Text deutlich, der in unserem Gesangbuch von ihm abgedruckt ist: Es ist die Freude an den Schöpfungswerken, die Herrlichkeit der Werke Gottes verkündigen zu können mit menschlichem Verstand. Es ist die Freude darüber, dass der Verstand die Schöpfung Gottes mehr und mehr versteht und weiß Gott, Johannes Kepler hat seinen Teil dazu beigetragen: In diesem Jahr ist es 400 Jahre her, dass er sein grundlegendes Werk “Astronomia nova” – neue Astronomie – veröffentlicht hat und da wird es deutlich, was er schreibt: Ich habe das Werk meines Lebens vollbracht mit den Geisteskräften, die du mir geschenkt hast. Da steht er in der Reihe derer, die Gott loben, auch und gerade mit ihren besonderen Verstandesgaben.

Graphik von Johannes Kepler aus Astronomia Nova: Marsumlauf Was geschieht, wenn wir unseren Verstand anwenden? Erst einmal geht es darum, genau hin zuschauen. Was ist da überhaupt los? Was geschieht da? Und daraufhin dann eine Erklärung zu suchen. Johannes Kepler hat das gemacht. Er hat 18 Jahre lang den Himmel beobachtet, besonders den Planeten Mars. Nach 18 Jahren hat er ein Bild gezeichnet, welchen Weg der Mars in dieser Zeit am Himmel zurückgelegt hat. Er kam zu dem Ergebnis: Wenn das so ist, wie die Alten sagen, dass die Erde im Mittelpunkt des Himmels steht und sich alles darum dreht, dann stimmt da was nicht zusammen. Daraufhin hat er weiter geforscht und er hat andere zu Rate gezogen. Das ist in der Arbeit der Astronomen das, was in der Bibel heißt “Machet euch die Erde untertan”.

Dabei, das ist der zweite Aspekt, baut man auf dem Wissen anderer Menschen auf. Ptolomäus hat um 100 nach Christus in Ägypten eine totale Sonnenfinsternis beobachtet. Das war wohl das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass das so genau beobachtet und notiert wurde. Er hat aus der Beobachtung, dass die Sonne total hinter dem Mond verschwindet, den Schluss gezogen: der Mond ist größer als die Sonne. 70 Jahre später hat in Griechenland einer eine ringförmige Sonnenfinsternis beobachtet und hat daraus geschlossen: der Mond ist kleiner als die Sonne. Es hat eineinhalb Jahrtausende gebraucht, um diese Diskrepanz aufzulösen.

Dazu braucht es, das ist der dritte Aspekt, andere Wissensgebiete, andere Menschen, die ihr Wissen beitragen. Da lernte man vor langer Zeit Glas zu formen, dann kommt einer darauf, dass manche Glasformen eine Vergrößerung des Abbildes ermöglichen und baut eine Linse. Jeder Brillenträger ist heute noch für diese Erfindung dankbar. Wieder ein anderer hält zwei solcher Linsen zueinander, dann kommt ein Hülle darum und die Menschheit hat ein Fernrohr. Es kommt aus Holland nach Italien und da ist einer so neugierig, dass er dieses Ding in den Himmel hält. Das war der Galilei, der so entdeckt: der Jupiter hat Monde. So stehen sie in einer langen Reihe, vor und nach Kepler. Nach Kepler etwa wird Newton mit seiner Gravitationslehre oder der englische Forscher Edmond Halley, der vorhergesagt hat, dass ein Komet, den man vor Jahrzehnten gesehen hat, zu einem bestimmten Datum wieder kommen wird, so alle 70 bis 75 Jahre. Dann war Halley schon lange tot und dann kam dieser Komet tatsächlich wieder und seitdem trägt er seinen Namen.

Aber zu diesem Anwenden des menschlichen Verstandes gehört auch immer noch etwas anderes, nämlich das Erkennen, wie wenig man dann doch weiß. Ich weiß, dass ich nichts weiß, heißt es in der griechischen Philosophie, Paulus sagt, Unser Wissen ist Stückwerk, (im Brief an die Korinther) aber das Stückwerk hört auf, wenn das Vollkommene kommt, worauf wir Christen hoffen. Und auch Johannes Kepler war sich dieser Grenze des menschlichen Nachdenkens bewusst, wenn er geschrieben hat: “Ich habe der Menschheit die Herrlichkeit Deiner Werke verkündigt, soweit als mein Verstand deren übermenschliche Majestät zu begreifen fähig war.” Ich denke, damit hat er gültig eine Grenze menschlichen Nachdenkens beschrieben, über die Jahrhunderte hinweg.

Die Fragen, die Johannes Kepler umgetrieben haben, sind nicht mehr die unseren. Die Forschung hat seit dem Mittelalter eine immense Entwicklung gemacht. Wenn es heute eine Sonnenfinsternis gibt, dann entsteht daraus keine Massenpanik, sondern höchstens eine Medienhysterie und für manche Branchen eine willkommene Gelegenheit, ein besonderes Geschäft zu machen mit Sonnenfinsternis-Brillen und dergleichen. Oder wenn, um einmal in die andere Richtung zu schauen, die Erde bebt und es einen Tsunami gibt, dann erklärt das niemand mehr mit dem Wüten in der Hölle, die man sich irgendwo da unten vorstellt, sondern wir greifen zur Erklärung der Geologen, die uns sagen, dass die tektonischen Platten sich bewegen und aneinander stoßen.

Wie gehen wir nun mit unserem herrlichen menschlichem Verstand um? Ich denke, das eine ist das Wichtigste: Wir müssen an dem einen Satz festhalten: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Wir sind Geschöpf, unsere Umwelt ist Mitgeschöpf. Das gibt uns einen besonderen Platz und eine besondere Verantwortung.

Unsere Bibel will wunderbar erzählen von Gott mit Liedern, wunderschönen Geschichten und großartigen Texten, manchmal geheimnisvoll, manche erschließen sich ein Leben lang nicht. Sie will aber kein Physikbuch sein. Da wo sie Naturereignisse beschreibt, da tut sie es, um Gott zu loben, nicht um den Menschen etwas vorzusetzen. Die Beschreibung der Natur ist Werkzeug, ist Hilfsmittel zum Gotteslob. So will auch der Text 1. Mose 1 eine Anweisung sein, Gott zu loben, aber keine Vorschrift, den menschlichen Verstand auf dem Niveau zu belassen, wie es vor zweieinhalbtausend Jahren zwischen Euphrat und Tigris gewesen ist. Das gilt auch für andere Bereiche als die Astronomie: Offensichtlich ist es so, dass das 6-Tage-Bild von der Schöpfung dem menschlichen Verstand nicht entspricht. Möglicherweise geht es ja auch noch weiter mit der Schöpfung, sonst müssten wir uns nicht jedes Jahr mit neuen Grippeviren herum ärgern. Und den Ergebnissen menschlichen Verstands und Forschens entspricht es auch nicht, dass die Erde 5769 Jahre alt ist, wie sich errechnen lässt, wenn man die kalendarischen Angaben in der Bibel addiert, wie es der jüdische Kalender bis heute tut.

Das Werkzeug kann sich verändern, das Ziel bleibt: Lobet ihn, ihr Himmel aller Himmel und ihr Wasser über dem Himmel hat vor 2500 Jahren der Psalmist gesungen. Lobe Gott meine Seele, solange ich lebe, hat vor 400 Jahren Johannes Kepler formuliert und vor rund 40 Jahren hat Dieter Hechtenberg gedichtet: Preist ihn helle Sterne, lobt ihn Sonne Mond, auch im Weltall ferne, seine Ehre wohnt. Diesen Gedanken wollen wir nun aufgreifen, indem wir das miteinander singen (EG 305).

Und dazu gebe Gott uns seinen Frieden, der größer ist als unsere Vernunft und er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Amen.