Lesepredigt für das Amt für Gemeindedienst Nürnberg zum 18.02.2018
Predigttext: 2. Korintherbrief 6, 1-10
Wenn Sie jetzt feststellen, dass Sie sich nicht alle der 19 Beispiele und 9 Gegensatzpaare gemerkt haben, die Paulus aufzählt, und schon gar nicht in der richtigen Reihenfolge, dann lassen Sie sich davon keine grauen Haare wachsen. In einer Bibelarbeit wäre es jetzt ein interessanter Versuch, festzustellen, was von der Aufzählung im Gedächtnis geblieben ist und das dann mit dem Nachbarn und dem Text zu vergleichen. Es zeigt sich eben, dass unsere Bibel reich ist an verschiedenen Textformen: Ein Brief ist etwas anderes als eine Predigt, wie sie uns von Paulus in der Apostelgeschichte überliefert ist oder ein Gleichnis Jesu in den Evangelien. Wenn ich einen Brief lese und den Faden verliere, kann ich zum Anfang zurückkehren und wenn ich nicht alles verstehe, schaue ich ihn morgen nochmal an. Es ist verständlich, wenn Sie beim einmaligen Hören nicht alles behalten können.
So soll im Mittelpunkt der Predigt nicht die Aufzählung stehen, sondern das was Paulus vorher schreibt und dann wird sich zeigen, welchen Stellenwert dieser lange Katalog bekommt.
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch.
Da könnten sich nun einige zurücklehnen: „Ich bin nicht gemeint: ich bin
kein Hauptamtlicher, ich bin nicht im Kirchenvorstand, bin in keinem
Chor. Ich trage nicht mal Gemeindebriefe aus und den Kuchen beim
Gemeindefest, den backe ich nicht, ich esse ihn bloß.“ Das ist ein
Holzweg, denn Paulus unterscheidet nicht zwischen dem, was wir
„einfaches Gemeindeglied“ nennen und einem Mitarbeiter. Das macht schon
der Anfang des Briefes deutlich: (2. Kor 1,1): „Paulus, Apostel Christi
… an die Gemeinde Gottes in Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaia“
Den Begriff der Heiligen verwendet er genauso wie wir vor ein paar
Minuten auch, als wir gemeinsam gesprochen haben „ich glaube an die
Gemeinschaft der Heiligen“: gemeint ist die ganze Gemeinde der
Getauften, nicht eine Gruppe von Menschen, die nach einem besonderen
Verfahren ausgewählt wurden. Da wischt dem Paulus keiner aus: alle sind
angesprochen.
dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt
Dieser Abschnitt klingt in der Luther-Übersetzung ein wenig trocken. In
der Übersetzung „Hoffnung für alle“ steht: Lasst die Gnade, die Gott
euch geschenkt hat, in eurem Leben nicht ohne Auswirkung bleiben.
Gemeint ist das Geschenk der Taufe. In einer Gemeinde mit Christen der
ersten Generation ist das im Gedächtnis natürlich stark vorhanden, aber
auch für uns gilt: Das Leben nach der Taufe muss anders aussehen als
vorher. Man muss den Christen am Werktag abspüren, dass sie am Sonntag
eine besondere Botschaft gehört haben. Wir haben ein Evangelium, das
uns zur Tat ruft, unser Glaube ist der Welt zugewandt. Die Welt wartet
auf gute Beispiele, schlechte hat sie genug. Und hier bekommt die
Aufzählung des Paulus erstmals einen Sinn.
jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils!
Um das zu
unterstreichen verwendet Paulus ein Zitat aus dem Jesajabuch. Es ist
immer sinnvoll, bei einem Zitat aus dem Alten Testament in einem
neutestamentlichen Text erst mal nach vorne in der Bibel zu blättern und
zu schauen: in welchem Zusammenhang steht dieser Satz? Er steht in
einem der sogenannten Gottesknechtslieder. Wenige Zeilen vorher heißt
es: (Jes 49,6) ich habe dich (auch) zum Licht der Völker gemacht, dass
mein Heil reiche bis an die Enden der Erde. Früh schon haben die
christliche Gemeinde und auch Paulus diese rätselhaften Lieder auf
Jesus Christus bezogen. In Korinth hatten diese Verse nochmal einen
besonderen Klang, denn es war eine Gemeinde von Heidenchristen. Wäre
dieser Satz vom Licht der Völker und dem Heil bis an die Enden der Erde
nicht gewesen, der Glaube an den Gott, der Moses am Sinai erschienen ist,
hätte den Sprung hinaus aus dem Volk Israel in die Welt wahrscheinlich
nicht geschafft. Wir wären heute nicht hier, zumindest hätte ich Sie
nicht im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
begrüßt. Dieses zweimalige JETZT zeigt wieder, wie dringend Paulus diese
Botschaft ansieht. Da ist keine Vertröstung aufs Jenseits, obwohl er die
Wiederkunft Christi noch zu seinen Lebzeiten erwartet und ersehnt hat.
wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde
Paulus sieht den Apostel als Vorbild gefordert und das ist wieder
nichts, was wir abschieben können: das WIR ist kein majestätischer
Plural, wie Könige von sich selbst sprechen, sondern meint die gesamte
Gemeinde. Wir sind die Apostel für unsere Umgebung, für die Partner, die
Kinder und Patenkinder, die Enkel. Und wie sonst im Leben auch:
schlechte Boten verderben die Botschaft. Das war zu Luthers Zeiten so
mit Ämterkauf, schludriger Amtsführung und Missachtung des
Zölibatsversprechens, das ist auch heute so. Wenn die Korinther von
Paulus gelesen haben: „ in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen,
in Gefängnissen, in Verfolgungen“ dann haben Sie aber natürlich auch
gewusst (und wir kennen das aus der Apostelgeschichte und seinen anderen
Briefen): da redet einer von seinem eigenen Leben. Da steht erlittenes
Schicksal dahinter. Der Mann redet glaubwürdig. Was er sagt, ist würdig,
geglaubt zu werden. Der redet anders als manche Schreihälse in
Vergangenheit und Gegenwart.
sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes
Es gibt keinen Lebensbereich, in dem die christliche Botschaft nicht
wirksam werden will und so bekommt der Katalog ein zweites Mal seinen
Stellenwert.
Beim Betrachten dieses Katalogs fällt eine Stelle besonders auf: mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken schreibt der Apostel. Das ist erstmal sperrig: was ist gemeint? Was bedeutet das Bild und was soll eine kriegerische Vokabel in der friedlichen Botschaft von Jesus Christus? Ein Lexikon hilft weiter: in der rechten Hand trugen die römischen Soldaten ein Schwert als Angriffswaffe, in der linken den Schild zur Verteidigung. Soldaten in der Hafenstadt Korinth waren ein vertrauter Anblick, die Menschen, an die der Brief gerichtet war, konnten das Bild also verstehen. Dieses Wissen in den Satz hinein- gesetzt heißt er dann: Sowohl im Angriff als in Verteidigung kämpfen wir mit den Waffen der Gerechtigkeit. Wenn nun in einem zweiten Schritt die militärische Sprache durch kirchliche Begriffe ersetzt wird, lässt sich das so formulieren: sowohl wenn wir von unserem Glauben werbend reden (in der Kirche nennen wir das Mission) als auch wenn unser Glaube angefragt oder gar angegriffen wird, geben wir nicht irgendeinen Anstoß, dass unser Amt nicht verlästert werde, sondern bemühen uns um Gerechtigkeit, damit wir uns als Diener Gottes erweisen. Das fordert uns heraus, als erstes im ökumenischen Gespräch mit den anderen christlichen Konfessionen. Die Generation lebt noch, die miterleben musste, wie hier wie da in den verschiedenen Konfessionen Vorurteile übereinander gepflegt und weitergegeben wurde und wie lange es gedauert hat, bis sie überwunden werden konnten. Diese Qualität müssen wir auch im Gespräch mit den Menschen leisten, die sich von der Kirche abgewandt haben oder Gott gänzlich leugnen. Schließlich gilt es, dies auch im interreligiösen Gespräch zu pflegen und durchzuhalten. Das ist nicht einfach, aber es steht nirgends geschrieben, dass die christliche Botschaft billig zu haben ist.
Am Beginn des Gottesdienstes wurde darauf hingewiesen: mit diesem Sonntag beginnen wir die Passionszeit. Warum hat solch ein Text gerade an diesem Sonntag seinen Platz? Wir bereiten uns in diesen Wochen auf den Kern unseres christlichen Glaubens vor: das Osterfest und die vorhergehenden Tage der Passion. Wir sind ja nicht Christen, weil die Hirten in Bethlehem eine interessante Nacht erlebt haben, weil der Jüngling zu Nain weiterleben durfte oder 5000 Menschen gegen alle Erwartung satt geworden sind. Wir sind Christen, weil Jesus von den Toten auferstanden ist und von Gott zum Christus erhöht wurde (Phil 2). Gemeinhin wird die Passions- oder Fastenzeit als eine Zeit „ohne“ beschrieben. Ich möchte zu einer Zeit „mit“ ermutigen: (Fast) sieben Wochen mit Gottes Wort, es neu meditieren, neu anfangen sich von falschen Götzen zu befreien. Sieben Wochen mit Gott neu die Ehre geben in allen Dingen und in allen Stunden. Wenn ich mich dazu in die Aufzählung des Paulus hinein vertiefe, hilft er mir, dabei nichts zu vergessen. Das Beispiel Jesu aus der Evangeliumslesung ist mir Vorbild, der Versuchung zu widerstehen, wenn anderes dann doch wichtiger sein sollte.
Denn das ist und bleibt die erste Aufgabe der Christen: Hören auf Gottes Wort und seine Apostel, auch wenn der Text einmal schwerer zugänglich ist. Wenn wir das tun, dazu im Gebet die Nähe Gottes suchen und dann die Hände zur Tat öffnen, verheißt er seinen Frieden, der größer ist als unsere Vernunft und Kraft und der unsere Herzen und Sinne bewahren möchte in Jesus Christus, unseren Herrn und Heiland.
Amen