“Alle Christen sind Priester,
aber nicht alle Pfarrer”[1]

Über die Ordination in der evang.-luth. Kirche


Kräftig wie immer bringt es Vater Luther auf den Punkt, wo der Kern evangelischen Amtsverständnisses zu finden ist. “Alle Christen sind Priester”, das zitiert 1. Petrus, Vers 2, in der die ganze Gemeinde zur “königlichen Priesterschaft” ernannt wird[2]. Damit ist ein biblisches Gemeindebild aufgegriffen, das an vielen neutestamentlichen Stellen nachweisbar ist. Das Neue der Jesus-Botschaft war eben auch daran zu sehen, wie die Nachfolger ihr Zusammenleben gestalteten und organisierten.

“Nicht alle sind Pfarrer”: da geht es um die Organisation und Außenansicht einer Kirche, die längst einen öffentlichen Platz eingenommen hat. Deshalb muss zwischen der öffentlichen und der privaten Verkündigung unterschieden werden. Was zwischen Patin und Patenkind geschieht, bedarf keiner öffentlichen Regelung. Aber wenn die Patin im öffentlchen Gottesdienst predigen will, muss das geordnet sein. Das geschieht in der Ordination, die als “Ordnung, Regelung” im Wörterbuch verzeichnet ist. Niemand wird bestreiten, dass schon weit kleinere Organisationen Ordnungen über das Zusammenleben brauchen, also auch die Kirche Jesu Christi.

Nach der Tradition der Kirche hat die Ordination die Bedeutung, dass ein Gemeindeglied aufgrund entsprechender Fähigkeiten und einer hinreichenden Ausbildung durch persönlich zugesprochenen Ruf und Segen für seine ganze Lebenszeit in den Dienst der Kirche gestellt wird.[3] Das ist schön zusammengefasst: Voraussetzungen für die Ordination sind die Zugehörigkeit zur Gemeinde, entsprechende Gaben, dazu eine fundierte Ausbildung. In liturgischer Form wird dieser Auftrag persönlich zugesprochen und das Gemeindeglied gesegnet. Das reicht.

Ich halte diese Konzeption des wichtigsten kirchlichen Amtes für wegweisend. Es ist geradezu ein Qualitätsmerkmal unserer Kirche, um einmal einen modischen Begriff zu verwenden, dass bei uns dieses zentrale Amt so und nicht anders gestaltet ist. Auch der Bischof gilt als “normaler Pfarrer”, halt mit besonderem Auftrag: Ein Landesbischof ist nach evangelisch-lutherischem Verständnis kein “Oberhirte”. Er hat kein Mehr an geistlicher Vollmacht, sondern ist, wie seine Kolleginnen und Kollegen, in das Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung eingesetzt, “ordiniert”. Während die Gemeindepfarrerin bzw. der Gemeindepfarrer einer Gemeinde zugeordnet ist, übt der Landesbischof das Predigtamt im gesamten Gebiet der Landeskirche aus.[4] Das ist schriftgemäß und dient den Menschen.

Andere Elemente des Amtsverständnisses in anderen Konfessionen sind dagegen aus meiner Sicht verzichtbar, verstörend oder auch biblisch nicht fundiert. Die Einschränkung des Amtes auf Männer widerspricht dem biblischem Befund über Frauen in gemeindeleitenden Aufgaben zu frühester Zeit. Das Herausdrängen der Frauen war römisch-bürgerlich, nicht theologisch begründet. Die Einschränkung, ein kirchlicher Amtsinhaber müsse darüberhinaus auch noch zölibatär leben, ist völlig anderen Traditionen und Strukturen geschuldet und hat keine biblische Grundlage. Die Verankerung der zentralen geistlichen Position beim Diözesanbischof nimmt dem konkret wirkendem Pfarrer Vollmacht und Autorität. Dazu noch die Elemente des römischen Primats und der “Apostolischen Sukzession”, also der Fiktion, geistliche Vollmacht würde nur durch eine Kette von persönlichen Berührungen von einem Amtsinhaber auf den nächsten übertragen und schon entsteht ein völlig anderes Bild von Gemeindeleitung in einer christlichen Kirche als bei uns.

Mir ist unser Amtsverständnis Schatz und Aufgabe. Natürlich gibt es auch bei uns Pfarrer und Pfarrerinnen mit autoritärem Amtsverständnis und entsprechendem Gehabe, mir sind genug begegnet. Natürlich gibt es Hauptamtliche, die meinen, sich über Gemeindeglieder erheben zu können. Aber sie sind mit den Ordnungen dieser Kirche in ihre Schranken zu weisen und das ist gut evangelisch.

Gerhard Wendler am 13.09.2009

Fußnoten:

  1. Zit. Nach Bayer, Oswald, Martin Luthers Theologie, 3. Aufl. Tübingen 2007, Seite 249
  2. Siehe auch Frank, Helmut (Hrsg.) Katecchismus 2000, Evang. Presseverband München 1999 Seite 102
  3. Aufschlüsse – Ein Glaubensbuch, Hrsg. vom Bund der Kirchen in der DDR 1977, Seite 332
  4. Homepage www.bayern-evangelisch.de am 13.09.2009