Für eine bessere Zukunft mit mehr Solidarität und mehr Gerechtigkeit


Klappentext

Ich bin seit meinem 8. Lebensjahr kirchlich aktiv, meist in der Diakonie als Sammler, Helfer in der Krankenpflege, Sozialarbeiter und Geschäftsführer eines regionalen Diakonischen Werkes. Ich war auch Beauftragter für Diakonie im Kirchenkreis Nürnberg. Im Ehrenamt bin ich Prädikant und Kirchenvorsteher. In diesem Buch reflektierte ich die Werte Solidarität und Gerechtigkeit als zentrale Begriffe diakonischen Handelns und stelle ihre überragende Bedeutung für die kirchliche Verkündigung heraus. Ich sichte meine Erfahrungen, anhand meines Lebenslaufs und der mir begegneten Schicksale und erarbeite Konsequenzen für die Sozialpolitik. Daraus entwickle ich einen Reformvorschlag für die Neugestaltung der Sozialversicherung. Dieser Vorschlag, Reform sowohl der finanziellen Basis als auch der Organisation, ist neuartig in der sozialpolitischen Diskussion. Ein Blick auf die innerkirchliche Organisation unter dem Anspruch von Solidarität und Gerechtigkeit rundet das Buch ab.

Vorwort

Warum diese Schrift?
Von meinen Wurzeln

Ich bin eine Kirchenmaus. Seit meinem 8. Lebensjahr bin ich kirchlich aktiv, meist in der Diakonie, und habe immer noch Freude und Erfüllung dabei. Neben einer Reihe von ehrenamtlichen Aufgaben bin ich seit über 30 Jahren als Sozialarbeiter tätig, derzeit als rechtlicher Betreuer (www.betreuungsverein-roth.de). Im Blick auf mein anstehendes 40-jähriges Diakonie-Jubiläum ziehe ich Bilanz. Ich will dem Leser Orientierung geben, die aus meiner praktischen Arbeit und Erfahrung gespeist wird, getragen und begründet von meiner Exegese, in die meine Erfahrung als Prädikant einfließt (Prädikant ist ein Ehrenamt in der evang. Kirche mit dem Auftrag, selbständig Predigten zu verfassen, ohne Pfarrer zu sein). Mir selber möchte ich Rechenschaft geben vor der letzten Etappe des Berufslebens und meinen Kindern möchte ich zeigen, was mich bewegt und beschäftigt, oft genug von ihnen und ihrer Mutter fern gehalten hat.

Mein Berufsleben ist atypisch: nach einigem Geplänkel war ich Dozent, dann leitender Mitarbeiter und jetzt bin ich einfacher Sozialarbeiter. Eigentlich geht es umgekehrt: man übt den Beruf aus, übernimmt Verantwortung und gibt dann an die nächste Generation weiter. Diese Besonderheit aber verschafft mir einen Einblick in die Zusammenhänge meiner Fallarbeit über die politischen und administrativen Dinge, der mir ohne diese Vorerfahrungen verwehrt geblieben wäre. Neben den biblischen Texten lasse ich mich von zwei Denkschriften besonders leiten: der EKD-Denkschrift von 1985 “Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie – Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe” und der ökumenischen Sozialdenkschrift von 1997 “Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit”. Nicht umsonst zitiere ich sie im Titel. Hier seien einige Kernstellen genannt:

Die traditionelle Sozialkultur … hat sich an vielen Stellen aufgelöst. Anspruchsdenken und Egoismus nehmen zu und gefährden den solidarischen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Tiefe Risse gehen durch unser Land … zwischen Wohlstand und Armut … Dem Egoismus auf der individuellen Ebene entspricht die Neigung der gesellschaftlichen Gruppen, ihr partikulares Interesse dem Gemeinwohl rigoros vorzuordnen. Eine beträchtliche Schwäche des gegenwärtigen Systems sozialer Sicherung liegt in der vorrangigen Bindung an das Erwerbseinkommen. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit führt zu Einnahmeausfällen bei der Sozialversicherung … Insofern ist nicht der Sozialstaat zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit. Wird im Blick auf das Vermögen die Substanz- und Besitzstandswahrung für unantastbar erklärt, dann ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in einer wichtigen Beziehung drastisch eingeschränkt oder gar aufgehoben. In den letzten 20 Jahren ist mit dem Reichtum zugleich die Armut in Deutschland gewachsen. Der Sozialstaat hat … einen eigenständigen moralischen Wert. Das Verhältnis von Kapital und Arbeit hat sich zu Lasten des Faktors Arbeit verschoben; das Gewicht der Kapitaleinkommen nimmt gegenüber dem Arbeitseinkommen zu. Notwendig ist auch eine Reform der Beamtenversorgung … (dies) ist auch aus Gründen sozialer Gerechtigkeit überfällig. Solange wesentliche Bevölkerungsgruppen nicht zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme beitragen, ist es fragwürdig, gesamtgesellschaftliche Aufgaben … oder die Folgekosten der Vereinigung über Versicherungsbeiträge zu finanzieren. Solidarität und soziale Gerechtigkeit gebieten es allerdings, Steuervergünstigungen und Subventionen in gleicher Weise zu überprüfen, insgesamt mehr Steuergerechtigkeit herzustellen und Steuerhinterziehung … entschiedener zu bekämpfen. Das Ziel einer sozial ausgewogeneren und gerechteren Vermögensverteilung ist in Deutschland bei weitem nicht erreicht. Umverteilung ist gegenwärtig häufig die Umverteilung des Mangels, weil der Überfluss auf der anderen Seite geschont wird. Der diakonische und caritative Dienst an Menschen in Not gehört seit den Anfängen der Kirche zu ihren unveräußerlichen Kennzeichen und ist auch für die Zukunft verpflichtend. … Alles diakonische Tun aber den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen, ist weder der Sache noch den Menschen dienlich.

Aus der Demokratie-Denkschrift:

Der biblische Glaube blickt auf die Funktion, die politische Gewalten gemäß dem Gebot Gottes wahrnehmen. Der Grundsatz der Gerechtigkeit verpflichtet … zu einer politischen Gestaltung des Gemeinwesens, durch die einschneidende soziale Ungerechtigkeiten verhindert werden. Dass der Mensch auf die Gemeinschaft angewiesen ist, verpflichtet das Gemeinwesen zur Sorge um die wirtschaftliche und soziale Wohlfahrt aller. Die Macht des wirtschaftlich Starken darf nicht die berechtigten Interessen des Schwächeren beiseite drängen. Wirtschaftliche Macht ist deshalb … zu kontrollieren und zu beschränken. Auch darin wirkt sich die soziale Verpflichtung aus … (Christen) sollen in bestimmten Fragen besonders sensibel sein, vor allem, wo es um das Eintreten für Schwache geht. Aufgabe (der Predigt) ist es, … politische Programme darauf zu befragen, wie sie sich mit Gottes Gebot vertragen. Mit den Grundrechten sind auch Pflichten verbunden, z.B. beim Recht auf Eigentum (Art. 14 GG). Die Zustimmung zur demokratischen Staatsform schließt die Überzeugung ein, dass die politische Ordnung weiterhin verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig ist. Schwerwiegende Herausforderungen und Krisen in der Wirklichkeit von Staat und Gesellschaft der Gegenwart verlangen kritische Aufmerksamkeit.

In diesem Geiste schreibe ich und wünsche mir geistesverwandte Leser.

Roth, im Sommer 2008

Gerhard Wendler